Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bildet das Fundament für die Abrechnung privater ärztlicher Leistungen. Trotz erheblicher Veränderungen in der medizinischen Praxis und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist die GOÄ in ihrer Grundstruktur weitgehend unverändert geblieben. Besonders angesichts der steigenden Inflation wird deutlich, wie dringend eine Anpassung nötig wäre. Während Kosten für Personal, Materialien und Betrieb stetig steigen, bleiben die in der GOÄ festgelegten Gebührensätze oft hinter den realen Ausgaben zurück.
Um dieser Entwicklung zu begegnen, haben Ärzte die Möglichkeit, die Faktoren bei der Abrechnung ihrer Leistungen zu steigern. Doch wann ist eine Faktorsteigerung zulässig, und wie hoch darf sie maximal sein? In diesem Leitfaden erkläre ich Ihnen die Grundlagen der Faktorsteigerung in der GOÄ und gebe praxisnahe Tipps für eine transparente Anwendung in Ihrem Praxisalltag.
1. Was ist eine Faktorsteigerung in der GOÄ?
Die GOÄ legt für jede medizinische Leistung einen festen Gebührensatz in Form eines Punktwertes fest. Durch die Multiplikation dieses Punktwertes mit einem festgelegten Faktor ergibt sich der Preis für die Leistung. Die Standardfaktoren belaufen sich hierbei auf
- Ärztliche Leistungen: 2,3-fach
- Technische Leistungen: 1,8-fach
- Laborleistungen: 1,15-fach
In bestimmten Fällen können diese Faktoren erhöht werden, um den individuellen Aufwand oder die besondere Schwierigkeit der Behandlung zu berücksichtigen. Die maximalen Faktoren für Steigerungen betragen dann:
- Ärztliche Leistungen bis zu 3,5-fach
- Technische Leistungen bis zu 2,5-fach
- Laborleistungen bis zu 1,3-fach
2. Wann sind Faktorsteigerungen zulässig?
Die GOÄ erlaubt eine Faktorsteigerung nur unter bestimmten Bedingungen. Folgende Kriterien sind entscheidend:
- Schwierigkeit: Ein erhöhter Faktor kann angesetzt werden, wenn die Behandlung anspruchsvoller ist als üblich, z.B. bei komplexen Operationen oder der Betreuung besonders gefährdeter Patientengruppen.
- Zeitaufwand: Wenn eine Behandlung ungewöhnlich viel Zeit beansprucht, etwa durch lange Vorgespräche, umfassende Aufklärung oder eine umfangreiche Nachsorge, rechtfertigt das ebenfalls eine Faktorsteigerung.
- Umstände: Besondere Umstände, wie z.B. die Behandlung außerhalb der regulären Sprechzeiten oder in einem anderen Umfeld, können ebenfalls eine höhere Abrechnung rechtfertigen.
Für jede Faktorsteigerung ist eine individuelle, patientenbezogene Begründung notwendig, die in der Regel hinter der jeweiligen GOÄ-Ziffer als Text vermerkt wird.
Achtung: Eine Steigerung über das 3,5-fache hinaus ist nur mit einer ausdrücklichen Einwilligung des Patienten (Honorarvereinbarung) zulässig. Weitere Informationen hierzu finden Sie in meinem Beitrag https://abrechnung-faude.de/allgemein/behandlungsvertrag-und-honorarvereinbarung-fuer-arztpraxen/.
3. Dokumentation und Transparenz
Für eine erfolgreiche Anwendung der Faktorsteigerung in der GOÄ ist eine lückenlose Dokumentation unverzichtbar. Ärztinnen und Ärzte sollten stets festhalten, warum eine höhere Steigerung gerechtfertigt ist – sei es aufgrund des erhöhten Zeitaufwands, besonderer Schwierigkeit oder außergewöhnliche Umstände.
Transparenz gegenüber dem Patienten ist hierbei von zentraler Bedeutung. Eine klare Erklärung der Rechnung und des Steigerungsfaktors fördert das Vertrauen und beugt möglichen Missverständnissen vor.
4. Tipps für die Praxis
- Individuelle Prüfung: Jede Leistung ist einzigartig. Prüfen Sie vor jeder Abrechnung, ob eine Faktorsteigerung gerechtfertigt ist.
- Patientenaufklärung: Erklären Sie dem Patienten kurz die GOÄ und die Gründe für die Faktorsteigerungen. Ein gut informierter Patient schätzt Transparenz und Vertrauen.
- Sorgfältige Dokumentation: Dokumentieren Sie die Gründe für jede Steigerung nachvollziehbar, damit im Zweifel ersichtlich ist, warum ein höherer Faktor berechnet wurde.
5. Fazit: Faktorsteigerungen mit Fingerspitzengefühl anwenden
Die Faktorsteigerungen in der GOÄ bieten Ärzten eine Möglichkeit, den tatsächlichen Aufwand und die Qualität ihrer Arbeit besser zu honorieren. Richtig angewandt können Ärzten sicherstellen, dass besondere Leistungen adäquat vergütet werden. Wichtig ist jedoch, jede Steigerung nachvollziehbar zu begründen und den Patienten nicht aus den Augen zu verlieren. Am Ende soll die GOÄ nicht nur für gerechte Vergütung, sondern auch für zufriedene Patienten sorgen.